FC BASEL
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Basel eindrucksvoll selbstsicher

Freitag, 5. April 2013 / 10:31 Uhr

Der FCB hat sich an der legendären «White Hart Lane» endgültig für den bedeutendsten Triumph seiner Vereinsgeschichte empfohlen. Am kommenden Donnerstag besitzt die Winner-Organisation die Chance, in eine neue Europacup-Dimension vorzustossen.

Valentin Stocker verkörpert Basels Selbstbewusstsein.

Es war das Bild mit Symbolgehalt. Sanitäter trugen Gareth Bale mit einer erheblichen Knöchelverletzung vom Feld. Tottenham verlor am Ende auch noch sein Gesicht. Basel setzte dem stolzen Verein schwer zu. Der Waliser wird im Rückspiel fehlen. Und ohne ein Tor des Topskorers haben die Spurs 2013 noch keine Partie gewonnen. Selten fühlte sich für sie ein Remis schmerzhafter an. Der gravierende Ausfall überschattete alles. Weil die Engländer zuvor schon Defoe, Lennon und Gallas verloren, droht ihnen in den kommenden Wochen nicht nur das Europacup-Out, sondern auch ein unabsehbarer Schaden im Championat.

Derweil die Einheimischen im Wortsinn ihre Wunden pflegten, nahmen die Gäste die ersten Glückwünsche entgegen. «Magistral, magistral!» Klub-Chef Bernhard Heusler spürte schon nach 20 Spielminuten: «Das wird ein gewaltiger Auftritt. Wir spielten so abgeklärt und ruhig. Auch nach dem 2:2 kam keine Hektik auf. Das Unentschieden gegen einen absoluten englischen Top-Klub ist nicht gestohlen - das macht es noch genialer.» Der richtiggehend überwältigte Präsident glühte trotz arktischer Temperaturen vor Freude.

«Für mich ist die Art unserer Darbietung fast noch bedeutender als das Resultat», jubelte Heusler. «Und das in einem Land, wo sie den Fussball mit grosser Liebe pflegen und unglaubliche Mittel zur Verfügung stehen.» Eine hohe Akzeptanz und pure Wertschätzung habe er nach dem Effort als FCB-Vertreter in der Präsidenten-Loge von Tottenham zu spüren bekommen. Ähnlich euphorisch äusserte sich auch der Basler Captain Marco Streller: «Was wir heute für den Schweizer Fussball geleistet haben, ist grossartig!» Neues Repertoire nötig

Die Abstände der internationalen FCB-Exploits werden immer kürzer. Die Produzenten der Schlagzeilen müssen ihr Repertoire permanent anpassen. Dnjepr und Zenit, die beiden Grössen aus dem Osten, haben die Bebbi bereits ausgeschaltet. Nun verlängerten sie ihre beeindruckende Serie um ein weiteres Top-Resultat - notabene im Stadion eines Konkurrenten, den das Beratungsunternehmen «Deloitte» zu den reichsten 13 Klub-Teams weltweit zählt. Das 2:2-Remis gegen die aktuelle Nummer 3 der Premier League, in welche private TV-Kolosse Milliarden-Beträge pumpen, ist vorbehaltlos hoch einzuschätzen.

Unterschätzt haben die Nord-Londoner den Schweizer Branchen-Primus nicht. Den Sturz von ManU im November 2011 thematisierten die englischen Medien in den letzten Tagen immer wieder. Und so sehr die Spurs den Stellenwert der Europa League zu relativieren versuchten, im Vorfeld äusserten sie gleichwohl bei jeder Gelegenheit den Wunsch, nach bald 29 Jahren endlich wieder eine internationale Trophäe zu gewinnen.

Tottenham wähnte sich vor dem Kick-off im Vorteil. Nach 34 Minuten bahnte sich allerdings ein Debakel an: Valentin Stocker und Fabian Frei lösten mit ihrer Tor-Doublette beim Favoriten die pure Ratlosigkeit aus. Und auch wenn die leidenschaftlichen Spurs mit ihren zwei vom Zufall (zweimal fälschte ein Basler den Ball entscheidend ab) zumindest begünstigten Treffern das Comeback eher zufällig erzwangen, blieb ihrem Trainer André Villas-Boas nur das schonungslose Eingeständnis: «Wir haben vor allem den Schaden begrenzt. Sie waren besser und besassen mehr Chancen.»

Der spielerisch brillante und mutige Auftritt hat «AVB» tief beeindruckt: «Basel verdient grosse Anerkennung. Dieses Team war vermutlich das beste, das ich je an der White Hart Lane gesehen habe.» Ein grösseres Kompliment hätte er nicht machen können. Vor dem FCB gastierte mehr als nur ein Schwergewicht im selben Stadion: Chelsea, Manchester United, Liverpool, Inter - vier Champions-League-Sieger der letzten acht Jahre.

Tottenhams Coach ist ein langjähriger Vertrauter von José Mourinho, der auch schon mit Kalkül zur Lobeshymne angesetzt hatte. Aber am Donnerstagabend wirkte der Ritterschlag des Portugiesen nicht gespielt - mit seinen Statements verzerrte der frühere Chelsea-Trainer die Wahrheit jedenfalls keineswegs. Es gibt ohnehin keinen ersichtlichen Grund, die Performance des FC Basel auch nur ansatzweise schmälern zu wollen. Vor und nach dem Ausgleich umklammerten die Bebbi die Prominenz regelrecht - oder sie setzten phasenweise perfekt um, was Murat Yakin von ihnen verlangt hatte.

Selbstvertrauen auf Höchststand

«Wir konnten sie unter Druck setzen und zogen auswärts mutig unser Spiel auf», wies Yakin auf den erstaunlichsten Fakt hin. Für das Spektakel war fast ausschliesslich sein Künstler-Ensemble zuständig. Nicht der 75-Millionen-Star Gareth Bale bestimmte das Drehbuch, sondern die Leaderfiguren von Rot-Blau. Selbst nach dem temporären Aufkommen des Gegners schreckte Basel vor nichts zurück. Yakin wertet diese frappante Unerschrockenheit primär als Qualitätsnachweis: «Trotz gewissen Turbulenzen blieb unser Niveau hoch.»

Mehrmals stand Basel dicht vor einem dritten oder gar vierten Treffer. Nur die Ineffizienz schränkte den Ertrag etwas ein. Wie entschlossen aber der erneute Vorteil angestrebt wurde, verdeutlicht auf welchem Höchststand das Selbstvertrauen mittlerweile angelangt ist. Sie hätten sich dieses gute Gefühl im Kollektiv erarbeitet, betonte Yakin, der immer mehr an Postur gewinnt und seine Rolle als taktischer Chef-Stratege exzellent ausfüllt.

Mit seiner Ausstrahlung passt der 38-Jährige perfekt zu jener Winner-Organisation, welche die Schweizer Fussball-Branche seit über einer Dekade auf gehobenem europäischen Level praktisch solo vertritt.(asp/Si)


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