NEUCHÂTEL XAMAX FC
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Tschagajew schlägt zurück

Donnerstag, 28. Juli 2011 / 19:56 Uhr

Bulat Tschagajew, der kritisierte Besitzer von Neuchâtel Xamax, holte im Gespräch mit der Sportinformation zum Rundumschlag aus. Politiker, Medien und die ehemalige sportliche Führung bekommen ihr Fett ab.

Scharfe Worte: Bulat Tschagajew packte aus.

Der bislang eher medienscheue Tschagajew hat einiges auf dem Herzen. Der Tschetschene kontaktierte die Sportinformation, um sich gegen die Kritik der letzten Tage zur Wehr zu setzen, und seinerseits zum Angriff überzugehen. Er wittert einen Komplott. Die Politiker, die Journalisten und die Swiss Football League seien an einige Spieleragenten gebunden, die Xamax Böses wollen. «Wenn die Liga beunruhigt ist, dass die Dinge nicht so ablaufen wie in den letzten zehn Jahren, ist diese Sorge berechtigt. Es wird weitere Änderungen geben», so Tschagajew.

Für die Kritik an seiner Person bringt der Milliardär keinerlei Verständnis auf. Auf den Vorwurf von SVP-Ständerat Adrian Amstutz, er verhalte sich wie ein Hooligan, reagierte er mit den Worten: «Ich bin der Hooligan? Dabei unternehmen verschiedene Politiker alles dafür, dass ich hier scheitere. Ich dachte, ich kenne die Schweiz, ein Land, das ich liebe. Offenbar hätte ich, um den Schweizern zu gefallen, alles so belassen müssen wie es war, als niemand sich um den Klub kümmerte. Aber ich wollte die gesamte Struktur reorganisieren.»

Der Raucher und Napoleon

Dass der erste Versuch, Xamax neu zu organisieren, kläglich gescheitert ist, gibt Tschagajew zu. Die Schuld dafür trägt seiner Meinung nach die nach zwei Niederlagen entlassene sportliche Führung. Vor allem der einstige Sportchef Sonny Anderson habe nicht im Interesse des Klubs gehandelt, sondern war in erster Linie darauf aus, an den Transfers zu verdienen. Dafür habe er gewisse Spieler unbedingt aufstellen wollen.

«Ich wollte Galatto (der nach der 1. ASL-Runde entlassene brasilianische Goalie -Red.) nicht, aber Anderson hat insistiert, damit ich ihn verpflichte», so Tschagajew. Auch Carlao und Binya sollen nur eingesetzt worden sein, weil Anderson dies so mit Spieleragenten besprochen hatte. Tschagajews Urteil über den ehemaligen Stürmerstar fällt vernichtend aus: «Er hat nicht das Niveau für die höchste Liga. Ich habe ihn nur verpflichtet, weil kein guter Trainer verfügbar war. Aber ein guter Spieler wird nicht immer ein guter Trainer.»

Tschagajew verschont keinen aus seinem ehemaligen Personal. Nach den beiden Trainern Anderson («Er rauchte jede halbe Stunde eine Zigarette») und François Ciccolini («Er stand jeweils reglos da wie Napoleon») greift er den Konditionstrainer Patrick Legain an. Dieser soll mit Absicht Goalie Logan Bailly verletzt haben, indem er ihm einen 15-Kilometer-Lauf aufzwang. Dies damit Anderson Galatto als Nummer 1 aufstellen konnte. Und der mittlerweile transferierte Mittelfeldspieler Gilles Binya hätte die Order bekommen, den Georgier Schirikaschwili zu verletzen. «Damit hätte Anderson weiterhin die Spieler einsetzen können, die ihm wichtig waren.»

Tschetschenische Ehre

Dagegen, dass er der sportlichen Führung keine Entscheidungsfreiheit zugestanden hat, wehrt sich Tschagajew: «Ich habe erst in der Halbzeit der Partie gegen Basel erstmals interveniert und die Auswechslungen von Binya und Carlao gefordert.» Er sei keineswegs blauäugig gewesen und habe gedacht, der Erfolg würde sich gleich einstellen: «Die Entlassungen von Anderson und Co. haben nichts mit den Resultaten zu tun, sondern sind eine Folge der Machenschaften neben dem Feld.»

Nun glaubt Tschagajew, den richtigen Trainer gefunden zu haben. Ob damit aber auch Ruhe im Umfeld des Vereins einkehrt, ist nicht sicher. Fehler verzeiht er nicht. Teamarzt Roland Grossen, Präsident der medizinischen SFV-Kommission und Teamarzt der A-Nationalmannschaft, wurde entlassen, weil er dem belgischen Goalie Bailly eine Behandlung verordnete, die sich nach näheren Untersuchungen in Genf gemäss Tschagajew als falsch erwies: «Ist das professionelles Verhalten? Dies ist vielleicht für die Schweizer Nationalmannschaft okay, aber nicht für Xamax!»

Seinen Rundumschlag beendet Tschagajew mit Kritik an den Medien. Eine Karikatur im «Le Matin», die ihn als Putzfrau zeigt, aber auch der Titel im «Blick» vom Mittwoch (Tschagajew, verschwinde!) haben ihn im Stolz getroffen. «Deswegen habe ich um die Unterhaltung gebeten... Die Leute glauben, dass ich ein Kind bin, dass sich mit einem Spielzeug amüsiert. Ich habe Familie hier, die es nicht verstehen könnte, wenn ich aufgeben würde. Ich müsste mir sogar den Vorwurf gefallen lassen, dass ich Tschetschenien entehre. Wenn jemand meinen Abgang will, soll er die Herren Facchinetti oder Bernasconi (die letzten beiden Xamax-Präsidenten -Red.) kontaktieren und sie auffordern, einen neuen Investor zu finden...» (bg/Si)


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